Case-Study:

Causa VW

Die Kardinalfehler
Das sagt der Betriebswirt:
Prof. Christian Strenger
HHL Leipzig Graduate School of Management

„Entlastung? Es
sind längst nicht
alle Fragen
beantwortet.“

Herr Professor Strenger: Worum ging es in Ihren Gegenanträgen zur Hauptversammlung der Volkswagen AG?

In meinen Gegenanträgen ging es zum einen um die von der VW-Verwaltung beantragte Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat für das Geschäftsjahr 2015, in dem ja der Diesel-Skandal endlich zutage getreten ist, zum anderen um die mangelnde Unabhängigkeit des Aufsichtsrats von Volkswagen.
Für den Dieselskandal tragen Vorstand und Aufsichtsrat und alle, die in 2015 agiert haben, gemeinsam Verantwortung und schon deswegen ist eine Entlastung ausgeschlossen.
Am 22.07.2016 reichte Professor Strenger Klage gegen den kompletten VW-Vorstand und den Aufsichtsrat von VW beim Landgericht Hannover ein.

Welche Folgen hätte denn eine Nicht-Entlastung für Vorstand und Aufsichtsrat gehabt?

Zunächst ist das eine Frage der Reputation. Eine Nichtentlastung führt nicht zu einer unmittelbaren juristischen Wirkung; aber gerade weil das Thema VW derzeit in aller Munde ist, hätte das eine sehr hohe Aufmerksamkeit. Allerdings haben wir es bei VW mit einer Stimmenverteilung zu tun, die eindeutig positiv für die jetzige Verwaltung ist: knapp 90 Prozent der Stammaktien mit Stimmrecht sind im Besitz der großen Blockaktionäre.

Ihre Gegenanträge zur Hauptversammlung beschäftigten sich auch mit dem Vergütungssystem und den Boni der Vorstände für das Jahr 2015. Aber haben die Vorstände nicht ohnehin auf einen Teil ihrer Boni verzichtet?

Verzichtet schon gar nicht. Sie haben sich nach langer Diskussion auch in der Öffentlichkeit bereit erklärt, ein Drittel ihres Bonus aufzuschieben. Wird bis 2018 eine Kurssteigerung von nur 12 Prozent erreicht, erhalten sie den Bonus schon in voller Höhe. Und anscheinend, um den Frieden zwischen Aufsichtsrat und Vorstand zu wahren, wurde den Vorständen noch eine weitere Komponente gewährt: nach Erreichen einer höheren, aber ebenfalls noch gut erreichbaren Hürde können sie nochmal denselben Betrag erhalten, den sie jetzt zurückstellen. Es ist also keineswegs ein Verzicht oder ein echter Beitrag zur Wiederherstellung des Vertrauens in Vorstand und Aufsichtsrat. Tatsächlich ist es eine zusätzliche Möglichkeit, für ein Geschäftsjahr, in dem 4,1 Milliarden Verlust angefallen sind, nochmals einen weiteren Bonus zu bekommen. Das kann nur auf schroffe Ablehnung bei allen stoßen.

Versteht man in Wolfsburg, was Sie fordern und dass Sie dies im Sinne des Unternehmens tun?

Dem Aufsichtsratsvorsitzenden und vielen anderen wurden alle diese kritischen Punkte seit vielen Monaten nicht nur von den Aktionären, sondern auch von Freunden der Familien intensiv vorgetragen. Es handelt sich also hier nicht um ein Aktionärsbegehren üblicher Klasse, sondern um ein Gesamtanliegen aller Beteiligten, dass die deutsche Exzellenz, die von Volkswagen nicht nur in technischer Hinsicht in Frage gestellt worden ist, wieder auf den richtigen Kurs kommt.

Hans Dieter Pötsch, der Vorsitzende des VW-Aufsichtsrats, hat in seiner Rede auf der Hauptversammlung der Volkswagen AG am 22. Juni 2016 ausgeführt, dass sich für ein in 2015 ganzjährig amtierendes Vorstandsmitglied ein gegenüber dem Vorjahr um 57 Prozent reduzierter Auszahlungsbetrag ergibt.

Gegenüber der Erklärung von Herrn Pötsch zu den vermeintlichen Beiträgen des Vorstandes zur Gesundung von Volkswagen ist festzustellen, dass die Realität ganz anders aussieht. Das betrifft auch die Auswirkungen des Verlustes von