Case-Study:

„Brexit“: Mögliche Folgen für Unternehmen

Teil 1: Steuerrecht und M&A
Mergers & Acquisitions
Dr. Mathias Reif
Partner, Head of Corporate & M&A
DWF Germany Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Doreen Meis
Rechtsanwältin
DWF Germany Rechtsanwaltsgesellschaft mbH

Nach einem EU-Austritt Großbritanniens kann die Verlegung von Sitz oder Geschäftsleitung zu einer für die deutsche Kapitalgesellschaft überaus nachteiligen Liquidationsbesteuerung führen. Die Verlegung des Sitzes oder der Geschäftsleitung über die Grenze eines Drittstaats - einem Staat, der weder der EU noch dem EWR angehört - wird nach § 12 Abs. 3 KStG, wenn die Gesellschaft dadurch aus der unbeschränkten Steuerpflicht in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem EWR-Staat ausscheidet, als eine Liquidation der Kapitalgesellschaft behandelt und sämtliche stillen Reserven der Besteuerung unterworfen. Zudem könnten Umwandlungsvorgänge, wie beispielsweise grenzüberschreitende Ver­schmelzungen nicht mehr steuerneutral vorgenommen werden, da das deutsche Um­wandlungssteuerrecht zwar auch für ausländische Umwandlungsvorgänge gilt, jedoch nur dann, wenn Rechtsträger beteiligt sind, die nach den Vorschriften eines Mitgliedstaates der EU oder des EWR gegründet sind, und deren Sitz und Ort der Geschäftsleitung in EU- bzw. EWR- Mitgliedsstaaten belegen sind.

Diese sowie spezifische steuerliche Aspekte sind mithin bei der Ausgestaltung der SPA’s oder APA’s zu beachten.

   4.    Fusionskontrolle

Zu erwarten ist, dass im fusionskontrollrechtlichen Bereich durch den Austritt Großbritanniens aus der EU zahlreiche zusätzliche Anmeldungen in Großbritannien erforderlich werden.

Bislang gilt das „one-stop-shop“ – Prinzip. Zusammenschlüsse von unionsweiter Bedeutung, also solche, die geeignet sind, die Freiheit des zwischenstaatlichen Handels zu gefährden, können bei der EU-Kommission angemeldet werden. Die Beurteilung der Zusammenschlüsse erfolgt auf der Grundlage der europaweit gültigen Fusionskontroll-Verordnung.19 Nach der Freigabe durch die EU-Kommission findet eine Fusionskontrolle der nationalen Behörden grundsätzlich nicht mehr statt.20

Im Bereich der Fusionskontrolle beschränken sich die Folgen des EU-Austritts Groß­britanniens aber nicht allein auf ein Mehr an Kosten und Aufwand, zusätzlich besteht das Problem sich widersprechender Beurteilungen und Entscheidungen der zuständigen Behörden. Die daraus resultierende Rechtsunsicherheit wird die Abwicklung von Fusionen zukünftig erschweren und verlängern, vorausgesetzt, es werden keine Vereinbarungen zwischen der EU und Großbritannien getroffen, die derartige Prozesse vereinheitlichen.

   5.    Anwendbares Recht

Der Austritt Großbritanniens kann dazu führen, dass unmittelbar anwendbare EU- Verordnungen nicht mehr automatisch zum englischen Recht zählen und auf EU-Recht basierende Vorschriften möglicherweise von dem englischen Gesetzgeber durch neue, andere Gesetze ersetzt werden. Dies schafft Unsicherheiten dahingehend, welche Vorschriften für künftige Auseinandersetzungen Anwendung finden. Um diese Risiken zu vermeiden, sollte die auf Transaktionsverträge anwendbare Rechtsordnung geprüft und möglichst ausdrücklich geregelt werden. Eine ausdrückliche Rechtswahlvereinbarung wird auch weiterhin Bestand haben. Bei der Wahl englischen Rechts droht die oben genannte Unsicherheit sich künftig ändernder Gesetze. Zu berücksichtigen ist zudem auch, dass durch den „Brexit“ die Durchsetzung


19 Reidinger in: Streinz, EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, EU-Fusionskontrolle, Rn. 36.
20 Reidinger in: Streinz, EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, EU-Fusionskontrolle, Rn. 36.


„Im Bereich der Fusionskontrolle gilt es neben zusätzlichen Kosten und höherem Aufwand auch einander widersprechende Entscheidungen der jeweiligen nationalen Behörden einzu- kalkulieren.“