Case-Study:

„Brexit“: Mögliche Folgen für Unternehmen

Teil 1: Steuerrecht und M&A
Mergers & Acquisitions
Dr. Mathias Reif
Partner, Head of Corporate & M&A
DWF Germany Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Doreen Meis
Rechtsanwältin
DWF Germany Rechtsanwaltsgesellschaft mbH

Erforderlich ist jedenfalls, dass (i) eine schwerwiegende Veränderung der Umstände nach Vertragsschluss eingetreten ist, (ii) die Parteien den Vertrag bei Voraussehen dieser Veränderung nicht oder nur mit anderem Inhalt abgeschlossen hätten und (iii) dass einem Vertragspartner das weitere Festhalten am Vertrag nicht zugemutet werden kann.

Die Tatsache des Austritts Großbritanniens aus der EU und die dadurch entstehenden makroökonomischen Veränderungen können eine solche schwerwiegende Veränderung begründen. Es ist allgemein anerkannt, dass neben der Änderung der Gesetzeslage oder einer übermäßigen Leistungserschwerung, auch tiefgreifende wirtschaftliche Veränder­ungen von § 313 BGB grundsätzlich umfasst sind2. Jedoch soll die Störung der Geschäftsgrundlage nur in Ausnahmefällen Anwendung finden, wenn keine anderweitige Lösung durch Auslegung des Vertrages gefunden werden kann. Ein im weitesten Sinne ver­gleichbares, wenn auch genau umgekehrtes Szenario, stellte die deutsche Wiederver­einigung und der damit verbundene Übergang von der Plan- zur Marktwirtschaft im Osten Deutschlands dar. Bei den dem Bundesgerichtshof vorgelegten Fällen hat dieser stets auf den Einzelfall abgestellt und evaluiert, ob der Vertragspartner im konkreten Einzelfall - hier durch den Übergang von der Plan- zur Marktwirtschaft – einschneidende Änderungen hätte hinnehmen müssen3. Bereits die Formulierung „einschneidende Änderungen“ macht in diesem Zusammenhang deutlich, dass eine pauschale Einschätzung, ob und inwieweit der „Brexit“ erhebliche Auswirkungen auf bestehende oder künftige Vertragsverhältnisse haben wird, nicht möglich ist. Der einzelne Vertrag muss geprüft und Auswirkungen und Folgen müssen hierbei abgeschätzt werden. Maßgeblich wird hierbei sein, ob Vertragsklauseln der Auslegung zugänglich sind und ob so bereits ein Interessenausgleich geschaffen werden kann.

Eine weitere, vergleichbare Situation ist bei der Entscheidung des BGH’s im Hinblick auf das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz zu finden. Der BGH hat gleichwohl ein Wegfallen der Geschäftsgrundlage verneint, weil durch die Schaffung von Übergangsvorschriften ein angemessener Interessenausgleich geschaffen wurde4. Sollten sich die EU und Großbritannien daher dahingehend einigen, dass im Falle des Austritts Übergangs­regelungen auf bestehende Vertragsverhältnisse Anwendung finden sollen, wäre vor dem Hintergrund der bisherigen Rechtsprechung ein Berufen auf den Wegfall der Geschäfts­grundlage nahezu ausgeschlossen, da ein Interessenausgleich bereits durch die Übergangsvorschriften erreicht werden würde.

Die dritte, in diesem Zusammenhang zu prüfende Situation war die Einführung des Euro zum 1. Januar 1999. Aber da ausdrücklich geregelt wurde, dass der Grundsatz der Vertragskontinuität Vorrang genießt (Art. 3 der (EG) 1103/97), wurde auch in diesem Fall kein Wegfall der Geschäftsgrundlage auf Basis des § 313 BGB angenommen.

Eine weitere Voraussetzung für eine Vertragsbeendigung bzw. Vertragsanpassung mit dem Argument des Wegfalls der Geschäftsgrundlage ist jedenfalls, wenn zu dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses das Szenario eines „Brexit“ noch nicht erkennbar war5 und durch dieses Ereignis nicht nur unerhebliche Beeinträchtigungen zu bejahen sind.



2 Stadler in: Jauernig, Kommentar zum BGB, 16. Aufl. 2015, § 313, Rn. 16ff.
3 BGH. Urteil vom 25. Februar 1993, Az. VII ZR 24/92.
4 BGH. NJW 2008, 2427, 2428
5 Finkenauer in: MüKo zum BGB, 7. Aufl. 2016, § 313, Rn. 74.


„Eine pauschale Einschätzung, ob und inwieweit der „Brexit“ Auswirkungen auf bestehende und künftige Vertragsverhältnisse haben wird, ist nicht möglich.“