Case-Study:

„Brexit“: Mögliche Folgen für Unternehmen

Teil 1: Steuerrecht und M&A
Mergers & Acquisitions
Dr. Mathias Reif
Partner, Head of Corporate & M&A
DWF Germany Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Doreen Meis
Rechtsanwältin
DWF Germany Rechtsanwaltsgesellschaft mbH

Überlegungen bei M&A Transaktionen unter Beteiligung englischer Unternehmen

Auch fast ein Jahr nach der „Brexit“-Entscheidung sind die Folgen für Großbritannien einerseits, und den verbleibenden Mitgliedsstaaten andererseits, weitestgehend ungewiss. Sicher ist nur, dass mit einem langwierigen Austrittsprozess zu rechnen ist und dass noch manche Überraschung und Wendung ins Haus stehen werden. Grob vereinfacht sind dabei folgende Austrittskonstellationen denkbar: So könnte Großbritannien zwar die EU verlassen, aber dem Europäischen Wirtschaftsraum („EWR“) beitreten (sog. „Norwegen- Modell“)1. Denkbar ist auch die Regelung des Zugangs zum EU-Binnenmarkt über bilaterale Verträge (sog. „Schweizer-Modell“). In Betracht kommt aber auch das „Kanadische Modell“, der Abschluss eines umfassenden Freihandelsabkommens mit der EU. Aber natürlich ist auch ein „harter Brexit" denkbar, bei dem die Beziehung Großbritanniens mit der EU auf WTO Basis geregelt werden.

Da erst durch Art. 50 des Vertrags über die Europäische Union das eigentliche Austrittsverfahren am 29.3.2017 rechtlich wirksam in die Wege geleitet wurde und die EU bis dahin keine Gespräche geführt hat, wird man noch mindestens bis 2018/2019 warten müssen, bis sich das Ergebnis erkennen lässt. Diese (lange) Zeit der Ungewissheit und die Folgen des Austritts müssen bei den bis dahin zu verhandelnden Transaktionen rechtlich abgesichert werden. Daher sind nachfolgend beratungsrechtlich relevante Themenfelder zu betrachten, die im Falle einer grenzüberschreitenden Transaktion mit Großbritannien von Interesse sein werden.

1. Vertragsanpassungen

Auf Grund der Unsicherheit über die Auswirkungen des in einigen Jahren erfolgenden Austritts wird mehr denn je die wirtschaftliche Entwicklung eines targets im Vordergrund stehen. Man nehme als Beispiel ein englisches Unternehmen, welches zur Zeit 30% seines Umsatzes in der (dann Rest-) EU macht. Alle anderen Aspekte außer Acht gelassen, wird die Entscheidung über Zölle, höhere Regulierung oder aber auch Begrenzungen des Marktzugangs erheblichen Einfluss auf die Rentabilität des targets nehmen. Anders herum würde im Falle des Abschlusses des vorgenannten „Norwegischen Modells“ die Profitabilität (zumindest auf Grund des „Brexits“) wohl nicht wesentlich leiden. Es stellt sich mithin die Frage, wie rechtlich die etwaige Veränderung des Unternehmens- (und damit Kauf-) wertes abgesichert bzw. angepasst werden kann.

1.1. Störung der Geschäftsgrundlage

Sollte nach dem Austritts Großbritanniens aus der EU das target wesentlich an Wert verlieren, mag es angebracht sein, die davon betroffene Vertragspartei zu berechtigen, sich vom Vertrag zu lösen. Es liegt nahe, dass in einem solchen Fall und unter Zugrundelegung deutschen Rechts versucht werden wird, eine Rückabwicklung eines unwirtschaftlich gewordenen Vertrages durch eine Rücktrittserklärung wegen der Störung der Geschäftsgrundlage zu erreichen (§ 313 Abs. 3 BGB). Der Erfolg eines solchen Vorgehens hängt maßgeblich von der Vertragsauslegung im konkreten Einzelfall ab.



1 Dabei ist noch nicht abschließend geklärt, ob der Austritt aus der EU zwangsläufig auch zu einem Verlassen des EWR führt. Es gibt Stimmen in der englischen Literatur, die vortragen, dass der Austritt ein weiteres Votum erforderlich mache.


„Erst 2018/2019 wird das Ergebnis des ‚Brexit’ erkennbar sein. In Trans­aktionen, die bis dahin verhandelt werden, müssen diese Ungewissheiten rechtlich abgesichert werden.“