Case-Study:

Causa VW

Die Kardinalfehler
Das sagt der Betriebswirt:
Prof. Christian Strenger
HHL Leipzig Graduate School of Management

„Wie kann es bei
4,1 Milliarden
Verlust überhaupt
Boni geben?“

4,1 Milliarden auf die langfristige Vergütungskomponente, weil die Zahl für das operative Ergebnis für 2015 auf null gestellt wurde. Wenn es aber einen Verlust von 4,1 Milliarden gegeben hat, dann ist null einfach noch viel zu viel. Warum nicht die 4,1 Milliarden in die langfristige Vergütungskomponente einfließen lassen? In die mehrjährige Komponente sollte das für 2015 in voller Höhe einfließen.

Außerdem stellte Herr Pötsch fest, die aktiven Vorstände hätten dem Aufschub eines Anteils von 30 Prozent der variablen Vergütung unter Vorbehalt der zukünftigen Aktienkursentwicklung zugestimmt.

Hier fragt man sich natürlich, ob es in einem Jahr von 4,1 Milliarden Verlust überhaupt einen Bonus geben kann? Was aber am meisten stört, ist, dass dieser Aufschub an eine wenig herausfordernde Aktienkursentwicklung, nämlich im Zeitpunkt der Beschlussfassung im Aufsichtsrat knappe 12 Prozent, über drei Jahre gebunden ist. Da fragt man sich schon, wo liegt dort das von Herrn Pötsch postulierte gleiche Interesse des Vorstands mit den Aktionären? Die Aktionäre haben im Durchschnitt 2014 bis September 2015 einen Preis von über 200 Euro bezahlt und werden jetzt damit konfrontiert, dass dieser Aufschub des Bonus in Millionenhöhe daran gebunden ist, dass der Aktienkurs nur 140 Euro erreichen muß. Das ist doch keine ausgewogene Gleichstellung der Interessen.

Ein weiteres großes Thema Ihrer Gegenanträge war die Zusammensetzung des Aufsichtsrats bei Volkswagen. Sind die Aufsichtsratsmitglieder aus Ihrer Sicht unabhängig?

Nach nationaler Vorgabe aus dem Deutschen Corporate Governance Kodex nein, nach internationaler Best Practice ganz bestimmt: nein. Das könnte vielleicht noch für die schwedische Vertreterin Frau Falkengren gelten, aber die ist der Chef der Hausbank eine großen Volkswagen-Tochter. Die Vertreter aus Katar können wir auch nicht als unabhängig einstufen, erstens weil sie einen großen Aktienbesitz haben, aber auch weil sie immer Teil des ganzen Weiterentwicklungskonzepts zwischen Porsche und Volkswagen waren und dort große Beträge gemeinsam mit den Porsche-Familien investiert haben. Bei den Familien Porsche und Piëch kann man das ja sowieso nicht postulieren. Also bei der von Volkswagen selbst vorgegebenen Anzahl von vier unabhängigen Mitgliedern auf der Anteilseignerseite ist das definitiv inakzeptabel und fordert auch ein Nachdenken über eine gerichtliche Verfolgung der falschen Entsprechenserklärung.

Wird es hierzu eine Anfechtung der Hauptversammlung geben?

Auf alle Fälle gibt es den mit der Erweiterung der Tagesordnung verbundenen Wunsch auf Sonderprüfung der Diesel-Affäre. Die ist zwar auch durch die Stimmen der großen Familien sowie jenen von Katar und Niedersachsen abgelehnt worden. Jetzt können aber sowohl Stamm- als auch Vorzugsaktionäre bei Gericht eine Sonderprüfung beantragen wegen grober Verletzungen des Gesetzes. Das dürfte eine sehr gute Chance haben, bei Gericht durchzukommen.

Der Dieselskandal wird VW noch einige Jahre beschäftigen. Gibt es geeignete Personen, die sich in einer so kritischen Situation freiwillig in den Aufsichtsrat setzen?

Es gibt durchaus kompetente Persönlichkeiten, die für diesen Aufsichtsrat die angemessene Unabhängigkeit und die erforderlichen Fachkenntnisse mitbringen. Angesichts der 90% Stimmendominanz der Großaktionäre hätten die sich natürlich erst dann gemeldet, wenn sie auch tatsächlich gefragt werden. Hätten die großen institutionellen Investoren, die hauptsächlich nur nicht-stimmberechtigte Aktien haben, es aber nur intensiv genug verlangt, würde vielleicht doch ein Umdenken stattgefunden haben.